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Vorbemerkung
Im Frühjahr 1992 wurde durch den neuen Eigentümer des Hauses Königstraße 5a, das Zweite Deutsche Fernsehen, die restauratorische Farbfassungsuntersuchung der Innenräume und der Fassade in Auftrag gegeben. Da dieses Haus zu den wenigen erhaltenen barocken Bürgerhäusern des 18. Jahrhunderts in Dresden gehört, bestand mit einer gründlichen und detaillierten bauarchäologischen bzw. Farbfassungs-Untersuchung die Möglichkeit, die Raumgestaltung des gehobenen Bürgertums in der Zeit des Barock und beginnenden Klassizismus in Dresden zu dokumentieren, und es wurden in Zusammenarbeit mit den Architekten und zukünftigen Nutzern des Gebäudes die Bedingungen geschaffen, um ein barockes Bauwerk in seiner Ganzheit rekonstruieren zu können. Etwas über 250 Jahre lang haben mehrere Generationen das Aussehen des heutigen Hauses mit der Nummer 5a geprägt und gewandelt. Nur zweimal, um 1854 - und heute hat es umfassende bauliche Eingriffe gegeben oder geben müssen, so dass uns jetzt noch zahlreiche verdeckte Signale aus vergangenen Zeit- und Stilepochen erreichen können. Dank des relativ schonenden Umgangs mit der Grundsubstanz des Hauses - Putze im Innenbereich wurden zum Beispiel nur selten vollständig abgeschlagen, sondern meistens nur überputzt - sind noch Fragmente der alten dekorativen Farbausmalungen verschiedener Räume aufspürbar. Bei den Farbfassungsuntersuchungen wurden historische und kunstgeschichtlich wertvolle Ausmalungen entdeckt, dokumentiert, gesichert und restauriert, die uns heute einen Einblick in die Gestaltung, das Lebensumfeld und den Geschmack des Bürgertums des 18. und 19. Jahrhunderts geben.
Allgemein befand sich das Gebäude zum Zeitpunkt der Untersuchung in einem recht bedenklichen Zustand. Zum Teil schwere Schwammschäden machten die Entscheidungen zur Sanierung des historischen Hauses unter denkmalpflegerischen Vorzeichen nicht eben leicht. So war beispielsweise absehbar, dass ein beträchtlicher Teil der bemalten Stuckdecken nach eingehender Untersuchung, Dokumentation und Bergung von Teilstücken in mehreren Räumen des zweiten Obergeschosses geopfert werden musste. Dies erforderte von den Restauratoren eine genaue und sensible Suche nach vorhandenen Fassungen und eine besonders umfangreiche Dokumentation. Die Farbfassungsuntersuchung umfasste sämtliche Räume mit allen Wänden und Decken sowie das Treppenhaus und die Fassade. Ausgeklammert wurde der Gebäudeflügel zur Königstraße 5, da dieser nachgewiesenermaßen erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut worden war.
Ausgehend von den Grundrissen wurde jeder Raum nummeriert sowie Wände, Fenster und Türöffnungen, Kamine und andere Besonderheiten raumbuchmäßig erfasst und dabei vermessen und fotografiert. An den besonders vom echten Hausschwamm befallen Decken und Wänden wurden auch die laufenden Stuckprofile eingemessen, geborgen, gereinigt und archiviert. Sie dienten dann den Stuckateuren als Vorlage zur Rekonstruktion. Im Vestibül des Obergeschosses hatte eindringendes Regenwasser bereits einen Teil der umfangreichen Deckenbemalung freigewaschen, größere Putzflächen waren abgefallen. Serpula lacrimans, der echte Hausschwamm, wurde an freiliegenden Deckenbalken sichtbar. Gerade diese Decke wies aber nach eingehender Untersuchung reich gegliederte illusionistisch gemalte Fassung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts auf. So wurde sie von überdeckenden Leimfarbenschichten gereinigt, in 60 Felder segmentiert und unter ständiger Befeuchtung - nur so wurden die kaum noch erkennbaren Farbreste sichtbar - in Originalgröße auf Folien durchgezeichnet. Sämtliche vorkommenden Farben liegen ausgemischt und bezeichnet in der Dokumentation als Farbkarten vor. Die gesamte Decke wurde im Anschluss fotografiert und die Fotos in der Art einer Collage zusammengefasst. Ebenfalls vor Ort wurden von allen wiederkehrenden Ornamentteilen der Decke Lochpausen und farbige Kartons im Maßstab 1 : 1 angefertigt, die als Grundlage für die farbige Rekonstruktion der Vestibülausmalung dienen.
Das Treppenhaus stammt aus der Entstehungszeit des Hauses und ist bis heute, von kleinen Veränderungen abgesehen, unversehrt erhalten geblieben. Als erste Fassung wurde ein weißer Wandfond mit ockerfarbenem ca. 30 cm hohem Sockel und einem roten Begleitstrich als Abschluss entdeckt. Diese erste Fassung findet sich in allen Räumen und Fluren des Hauses und wird als sogenannte Bauübergabefassung bezeichnet. Die Häuser der Königstraße wurden auch im 18. Jahrhundert bereits im Sinne einer allgemein üblichen Geldanlage zum Zwecke der Altersabsicherung des Bauherrn erbaut; Jeder Käufer oder Mieter gestaltete die Wände und Decken nach seinen Wünschen. Die wichtigste der Lippert’schen Umgestaltung zuzuordnenden Ausmalung ist im Treppenhaus die zweite Fassung, eine spätbarocke Dekoration, gekennzeichnet durch eine großzügige illusionistische Rahmengliederung der Wände und kleinteiligere Spiegelgliederungen der Sockelzone in Dunkelrot und Grün auf grauem Fond. Sämtliche Räume im Erdgeschoss wiesen keine bzw. nur minimale Reste barocker Farbigkeit auf. Das war zu vermuten, da gerade das Erdgeschoss durch wechselnde gewerbliche Nutzung öfter als normale Wohnräume umgebaut, geputzt und getüncht wurde. Die Erdgeschosse wurden im 18. Jahrhundert als untergeordnete Hausbereiche meist für Gewerbe, Stallungen und Remisen genutzt. Durch die letzte Nutzung dieser Räume als Lichtpausanstalt war wegen der aggressiven Dämpfe und Lösungsmittel der Putz der Wände und Decken so stark korrodiert, dass nur bedingt Aussagen zu Farbfassungssystemen getroffen werden konnten. Im Vestibül des 1. Obergeschosses fanden sich aus barocker Zeit nur einfache ockerfarbene oder graue Sockel mit roten und braunen Begleitstrichen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Wände reich mit blauen Bändern über einem gemalten Sockel gestaltet, die Decke in Grissaille-Tönen gegliedert. Bei der Restaurierung dieses Raumes wurde darauf geachtet, dass man die Deckenfassungen und Teile der Wandbemalung konservierte und überputzte und somit unter der heute rekonstruierten barocken Gliederung der Nachwelt erhielt. An den Wänden der drei nebeneinander liegenden Räume im ersten Obergeschoss auf der Seite zur Königstraße befinden sich neben den für das Haus typischen einfachen Sockeln in den unteren Fassungsschichten verschiedene Kassettengliederungen, darunter auch eine Fassung, die mit einiger Sicherheit der Lippert’schen Ausstattung zuzuordnen sein dürfte: Eine Gestaltung mit hellgrünen Rahmungen und lichtgrauen Spiegeln sowie einer malerisch illusionistischen Ornamentierung, die unter Einbeziehung restaurierter originaler Wandmalereibereiche auch rekonstruiert werden konnte. Da alle anderen Räume des Hauses jeweils unterschiedliche Dekorationen aufweisen - keine Raumgliederung wiederholt sich - ist anzunehmen, dass diese drei gleichgestalteten Räume auch eine gemeinsame Nutzung hatten. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um die Kabinette, in denen Professor Lipperts Gemmensammlung untergebracht war. Mehrere besonders schöne Dekorationsmalereien wies auch der mittlere Raum im hinteren Flügel des ersten Obergeschosses auf. Die erste und zweite Fassung sind wiederum einfache Sockelbemalungen. Bei der dritten Fassung, die leider nur noch in Teilstücken vorhanden ist, handelt es sich um ein graues Ornamentwerk, illusionistisch mit Licht und Schatten auf roséfarbenen Grund gemalt, wie auch zum Teil restauriert, zum Teil rekonstruiert vorliegt. Die vierte Fassung besteht aus einem Rokokobandelwerk - Grau auf eierschalfarbigem Grund, ebenfalls illusionistisch gemalt. Die fünfte Fassung wiederum war eine Rahmengliederung mit paneelartigem Sockel und einem gemalten rautenartigen Gitterwerk mit kräftig blauem Fond in allen Wandflächen. In ihrer Art vermittelt diese Raumausmalung des Biedermeier dem Betrachter den Eindruck, sich in einer Gartenlaube zu befinden.
Die Gestaltung der jetzt rekonstruierten Farbigkeit der Hoffassade beruht auf Befunden, die in einem Winkel unter dem ehemals im Innenhof befindlichen Glasdach festgestellt werden konnten. Obwohl fast der gesamte Fassadenputz in diesem Jahrhundert erneuert worden war, konnten sich dort Reste barocker Farbigkeit erhalten. Diese Fassungsreste sowie originale Farbbefunde an der Fassade zur Königstraße erlaubten es, die Farbigkeit und Gliederung derselben so zu rekonstruieren, wie sie sich heute dem Betrachter darbietet: Im Innenhof die barocke ockerfarbene Fassung, straßenseitig die königlich verordnete Rokokofarbigkeit.
Zu den Schwerpunkten der denkmalpflegerischen Zielsetzung zählten die Erhaltung, Sicherung und Konservierung der wertvollen originalen Befunde durch gezielte restauratorische Maßnahmen sowie die Freilegung und Restaurierung ausgewählter Originalfragmente. Ebenfalls gehören dazu die Rekonstruktion historisch relevanter Raumausmalungen in den Räumen des ersten und zweiten Obergeschosses sowie in den Haushallen und im alten Treppenhaus unter Berücksichtigung und teilweise Einbeziehung originaler Wandmalereifragmente und die Rekonstruktion der barocken Fassadenfarbigkeit des Hauses. Großflächige Hohlstellen, Setzungsrisse, unsachgemäß ausgeführte Putzreparaturen mit falschem Material und unpassender Putzkörnung ließen manchmal arge Zweifel an der Erhaltungsfähigkeit der Originalputze aufkommen. Die zum Teil schlimmen Putzgefährdungen mit Rissbildung an den in Fachwerkbauweise errichteten Trennwänden im ersten und zweiten Obergeschoss erforderten eine differenzierte Herangehensweise. Gezielte Rissbehandlung, Injektagen und lokale Putzverfestigung führten zu einer weitgehenden Behebung der Schäden. Dies war die Grundlage für den Erhalt der auf den Altputzen befindlichen Farbfassungen einzelner Stilepochen. Bei den dekorativen Ausmalungen wurden ausschließlich die traditionellen Kalk- bzw. Kalk-Kasein- sowie Kasein-Temperafarben eingesetzt. Teile der originalen Wandfassungen konnten in die rekonstruierten Ausmalungen integriert werden. Diese wurden nur vorsichtig gekittet und mit reversiblen Farbsystemen retuschiert. So besteht für den aufmerksamen Betrachter die Möglichkeit, das Original und die Rekonstruktion miteinander zu vergleichen, sich an 250 Jahre alten Malereien zu erfreuen. Selbst die Fassadenbemalung erfolgte in Kalk-Kasein-Technik. Der Einsatz dieser Systeme beförderte eine weitere Annäherung an originale Farbeindrücke. Nicht nur der Einsatz der originalen Pigmente an sich ist maßgebend, sondern auch ihre Wirkung im Bindemittel - dem Kalk, der ihnen die spezifische Mattigkeit und leichte Bewegtheit, Intensität und Duktus verleiht. Das Haus hat eine lange Geschichte, und diese Geschichte ist auch nach diesem umfassenden baulichen Eingriff an vielen Ecken zu spüren und zu erfassen. Ein weiteres Mal ist originale Substanz erhalten worden. Zahlreiche Indizien aus längst vergangenen Epochen lassen ein Stück Alltags- und Sozialkultur des Dresdner Bürgertums wieder erlebbar und spürbar werden. Die Restaurierung dieses Bürgerhauses hat geholfen, diese immer weniger werdenden Indizien zu bewahren, sie zu bewerten und nachfolgenden Generationen zu überliefern. Nach so langer Zeit derartig erfolgreich fündig geworden zu sein, kommt einem wertvollen Geschenk gleich. Planungsbeteiligte
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Referenzobjekt |