Ein abschließendes naturwissenschaftliches Gutachten sah letzlich die Abnahme des schädigenden Kasein-Überzuges als konservatorische Notwendigkeit. Ein Verbleib der Kaseinschicht auf der Malschicht hätte deren nachhaltige Gefährdung bedeutet, ihre teilweise oder völlige Zerstörung impliziert. Blieb nur die Frage, mit welcher Methode die Abnahme zu realisieren sei. Weitere Abnahmeversuche mit Mikropartikelstrahlver-fahren blieben erfolglos. Schließlich brachten Tests der Restauratoren mit Laser-strahltechnik in enger Zusammenarbeit mit dem Dresdner Fraunhofer-Institut den erhofften Erfolg.
Laserstrahlen und ihre Wirkung
Ziel und Anforderung der bevorstehenden Aufgabe waren es, die gesamte Deckenfläche von der schwarzen Kasein-Deckschicht zu befreien, verletzungsfrei und selektiv und, wenn möglich, berührungslos.
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Beispiel für die Wirksamkeit des Lasereinsatzes: Die dunkle Teilfläche zeigt den vorgefundenen Zustand der Malschicht mit dem verschwärzten Kasein-Überzug;
Der helle Teil der Malerei ist bereits mit dem Laser verletzungsfrei freigelegt worden. |
Bislang unerwähnt blieb, dass sich die Malschicht in einem unkonservierten und deshalb auch instabilen Zustand befand. Abblätternde, schollenförmig aufstehende Farbschichten sowie sich ablösende Papierstreifen, die man vor der Bemalung auf Luftrisse (besonders auf den Balken) und Fugen geklebt hatte, prägten das Ober-flächenbild der Decke.
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Interessantes Detail:
Luftrisse in den Deckenbalken und die Fugen in den Füllhölzern hat man bereits zum Zeitpunkt der Bemalung mit Papier beklebt und so verschlossen, bevor man mit der Malerei fortfuhr; Interessanterweise handelt es sich dabei um „Recycling-Papier“: alte Briefe, Rechnungen, Notizen … aus dem 16.Jahrhundert. |
Insofern war die Laserstrahlung geradezu geschaffen für einen Problemfall wie dem hier beschriebenen.
Der zum Einsatz gekommene Laser wurde speziell für den Einsatz in Denkmalpflege und Kunstguterhaltung konzipiert und entwickelt. Er arbeitete mit folgenden technischen Parametern:
Festkörperlaser Nd: YAG
Energiedichte auf Farbschicht: <150 mJ/cm2
Wellenlänge: 1064 nm
Laserblitzfrequenz: 20 Hz
Wechselwirkungszeit: 6ns
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Dipl. Restauratorin Sabine Schröder bei der Laserbearbeitung: Die Laserpistole, in der der Laserstrahl generiert wird, wurde hier auf ein Stativ aufgesetzt und ermöglichte so ein ruhiges, präzisen und ermüdungsarmes Führen des Laserstrahls auf der Malereioberfläche; Wichtiger Bestandteil der Sicherheits- und Arbeitsschutzvorkehrungen ist der Einsatz eines auf Laserdämpfe eingestellten Absaugsystemes, zumal die Bestandteile der beim Lasern entstehenden Plasmadämpfe nicht im Detail bestimmbar sind. Sie stellen so für den Restaurator eine latente Gesundheitsgefährdung dar. |
Der Laserstrahl ist ein extrem energiereicher Lichtstrahl, der mit der schwarzen Kasein-Schicht in Wechselwirkung tritt. In einer Zeiteinheit von nur 6 Nanosekunden wird dabei ein Teil des Kasein-Überzugs schlagartig verdampft. Dabei entstehen Mikro-Schockwellen, die das Gefüge des abzutragenden Materials derartig zerrütten, dass es abfällt. Dieser Ablationsvorgang wiederholt sich im vorliegenden Fall 20 Mal in einer Sekunde, so dass eine sehr hohe Prozess-Effizienz die Folge ist. Eine entscheidende Eigenschaft der Lasertech-nologie ist der Effekt der Prozeß-Selbstbegrenzung bzw. Selektivität. Im Fall der im "Biblischen Haus" zu Görlitz bearbeiteten Deckenmalerei bedeutete dies, dass nach erfolgter Abtragung der Kasein-Schicht die Laserstrahlung keine weitere Wirkung auf die schellackierte Original-Malerei hatte. Der Prozeß begrenzte sich selbst - ein Umstand, der für eine schonende und homogene Abtragung des schädlichen Kasein-Überzuges sorgte.
Malschicht-Festigung und Retusche
Die durch Bindemittelabbau gefährdeten Bereiche konnten nach der berührungslosen Freilegung durch den Laser gefestigt werden. Eine Vorfestigung war durch den Lasereinsatz nicht notwendig. Nicht nur der Zeitaufwand wurde so reduziert, auch das Problem, die Vorfestigung und vorbereitende Malschicht-stabilisierung durch eine Überfassung hin-durch realisieren zu müssen, stellte sich nicht.
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Oberfläche im freigelegten Zustand:
Die im Streiflicht besonders deutlich erkennbare Schädigung der Malereioberfläche hätte unbedingt einer Vorfestigung bedurft: Die berührungslose Lasertechnik ermöglichte die Bearbeitung selbst solch extrem empfindlicher Farbschichten, ohne sie vor der Behandlung stabilisieren zu müssen. |
Die Retusche der Fehlstellen in der Renaissance-Malerei erfolgte mit neutralen Grundtönen ohne ornamentale Rekonstruk-tionen. Lediglich die farbliche Beruhigung und Homogenisierung der geschädigten Teilflä-chen stand im Vordergrund.
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